Dezember 2007


1 – Frau Krankenschwester-am-Schalter ist seit dem vorletzten Mal guter Dinge, wenn sie mich sieht: denn sie erkennt mich wieder, weiß zwar meinen Namen nicht, aber dafür, dass ich schon mal da war. Gestern überraschte sie mich damit, dass sie meinen Vornamen wusste, als ich den Nachnamen nannte. Wahnsinnig interessant, nicht?

2 – Während meines gestrigen Spitalsbesuchs erfuhr ich durch Unterhaltung der Schwestern, dass der Oberarzt, also der Leiter der Abteilung, vulgo „der Grund, warum ich dieses Spital für die Therapie wählte und kein anderes“, entgegen meinen anfänglichen, enttäuschten Vorstellungen, er hätte nur leitende und beratende Funktion, ebenfalls Patienten empfängt, aber offenbar nur ganz spezielle. Die Schwestern tratschen herum und meinten „wo bleibt denn der Patient vom Chef“, was mich zu der Überlegung brachte, was diese speziellen Patienten vor anderen auszeichnet, dass sie zum „Chef“ selbst kommen dürfen. Interessante Forschungsfälle? Seltene Krankheiten? Oder schlicht und einfach Privatpatienten?

3 – Jedes neue Rezept für Pegasys muss ich vom Chefarzt meiner Krankenkasse bewilligen lassen, sodass die Kosten wegfallen, aber auch die Rezeptgebühr. Letzten Freitag fragte ich an, wie das mit dem Aerius-Rezept wäre, oder mit der Fettcreme, die ich ja nicht spaßeshalber verwenden würde, sondern weil sie ein Produkt der Therapie darstellen. Daraufhin sagte der sehr nette, geduldige, freundliche Chefarzt folgenden niederschreibenswürdigen Satz: die Krankenkasse bezahlt nur jene Medikamente, die zur Behandlung der Grundkrankheit notwendig sind.

Also wenn ich jetzt Depressionen, Schilddrüsenunterfunktion, Lungenentzündung usw. entwickele, ist das ein (unerwünschter) Nebeneffekt der Therapie und daher vom Patienten selbst zu verantworten / bezahlen, richtig?

Ich muss gestehen, dass ich mir bei Sätzen wie diesem letzten extrem schwer tue. Allein schon die Frage beim Chefarzt, ob die Krankenkasse auch andere Rezepte übernimmt, hat mich Überwindung gekostet, weil ich mir bei jeder Spritze denke, dass sie an die 400 Euro wert ist. Ich bekomme also von der Kasse diese sehr teure Therapie bezahlt, weil ich glücklich bin, in Österreich zu leben, wo das soziale System derart gestaltet ist, dass so etwas fraglos übernommen wird, und nicht z.B. in den USA (oder auch in Deutschland), wo diese Behandlung nicht eine logische Konsequenz aus der Erkrankung in einem bestimmten Zustand ist. Ich zahle keine Beiträge, keinen Selbstbehalt, nicht einmal die Rezeptgebühr, und so hatte und habe ich schlechtes Gewissen, wenn ich um „noch mehr“ anfrage, „noch mehr“ als die tausenden Euros, die die Therapie kosten wird, verlangen will oder soll, weil es mir eigentlich „eh so gut geht“.

Ganz vergessen, die Nr. 18 war ja auch schon, an einem Samstagabend, 135 µg, zum Glück keine Beschwerden beim Spritzen, leider ziemlich K.O. die beiden folgenden Tage.

Kaum hatte ich mich im Wartezimmer hingesetzt, als ich nach wenigen Minuten schon aufgerufen wurde, obwohl sicher 10 andere Leute bereits vor mir dort saßen. Die Stimme war mir fremd, keine Dr. B. jedenfalls. Eine weibliche Dr. X, wenig erfahren in meiner Krankheit und Therapie, aber sehr geduldig und eifrig, jemanden zu finden, der meine Fragen beantworten kann. Sie nahm sich mit Abstand die längste Zeit, die sich ein Arzt in den letzten Monaten für mich genommen hat.

Erst einmal wieder ein HBV-DNA-Wert, der mich weniger optimistisch stimmt als das letzte Mal, weil er etwa um 100000 Einheiten höher ist:

HBV-DNA 288100 U/ml

Ad Impfen: die Polio-Auffrischungsimpfung sei kein Problem, sie notierte allerdings meine Anfrage in der Akte.

Ad Nebenwirkungen: ich erwähnte den Juckreiz, der immer stärker zu werden scheint, während die Müdigkeit tagsüber ganz leicht nachließ in den letzten beiden Wochen. Aber das Jucken ist sehr lästig. Ein paar Mal wachte ich nachts alle zwei Stunden auf, weil es mich überall so juckte und kratzte, bis es blutete. Ja, ich weiß, ganz schlechte Angewohnheit, aber dieser Juckreiz ist noch nie in diesem Ausmaß dagewesen und helfen tun nur Kratzen oder Verbrennen mit heißem Duschwasser. Demnach ist also die Haut übersät mit kleinen Verletzten und Wunden, die aus diesem Kratzen entstanden sind, zusätzlich ein paar blaue Flecken und gerötete Stellen, die auf eine noch unerklärbare Reaktion zurückzuführen sind – toll schaue ich im Moment aus. Dr. X schrieb mit ein Privatrezept auf für Excipial Lipolotio, eine rückfettende Creme, die auch die Schwestern im Spital verwenden (ich sah die Flasche am Tisch stehen). Allerdings hilft diese Creme in erster Linie gegen trockene Haut (enthält u.a. das bekannte Urea, also Harnstoff), welche ich nicht habe, die Haut ist glatt und unauffällig,  juckt aber furchtbar-schrecklich. Außerdem schrieb sie mir noch ein richtiges Rezept auf, und zwar für Aerius. Das sind kleine Filmtabletten, die Antihistaminika enthalten, welche allergische Reaktionen unterdrücken, indem sich die Substanz an die Histamin-Rezeptoren dranhängt und diese blockiert. Dadurch werden typische allergische Symptome nicht ausgelöst, u.a. eben Juckreiz. Ich soll eine Tablette abends schlucken, wenn ich nicht einschlafen kann.

Weder das eine noch das andere Rezept habe ich bisher eingelöst. Die Creme erfüllt nicht ganz meinen erwünschten Sinn und ist zudem noch ziemlich teuer, zumindest im Internet: knapp 15 Euro müsste man für 500 ml bezahlen und wenn ich mir ansehe, wie schnell bei mir die Cremes weggehen, die ich allabendlich auf meinen gesamten Hautflächen verteile, ginge diese neue Creme ganz schön ins Geld und hülfe wahrscheinlich nicht mal mehr als andere Fettcremes. Und die Tabletten – nun, bisher tritt dieses nächtliche Aufwachen nicht konsequent auf, und ein paar Mal war daran auch nicht der Juckreiz schuld, sondern stark brennende Mundtrockenheit bzw. Halstrockenheit, wie ich es nennen würde, welche auch alle 2-3 Stunden nachts eintrat und sich nur durch einen Schluck Wasser beseitigen ließ. Also keine konsequenten Symptome, die sich halten und deshalb warte ich lieber noch ein bisschen ab. Wenn es drastisch schlimmer wird, werde ich mir die Tabletten überlegen, allerdings scheinen sie auch nicht unbedingt auf regelmäßiger Basis eingenommen gesund zu sein, da Dr. X ausdrücklich meinte, abends, und nur wenn es wirklich nicht zum Aushalten ist.

Ad Krankwerden: mir ist heuer aufgefallen, dass ich wie zum Trotz all jener, die um mich herum erkälten, fiebrig werden oder mitleiderregend husten (Kollegen, Partner) keinerlei Tendenzen dazu zeige, selbst krank zu werden. In der Arbeit wird einer nach dem anderen von der Viruswelle, die sich via Kind-Mutter-Kontakt einschleppte, erfasst, nur ich gehe ohne irgendetwas aus, und das bereits mehrmals diesen Winter. Ich beschwere mich nicht, nein, aber ich hätte gerade bei den nicht so idealen Blutwerten erwartet, dass das Immunsystem mangels weißen Blutkörperchen etwas angeschlagen ist und ich daher eher leichter krank werde. Allerdings hat das Nicht-Krankwerden laut Dr. X nichts mit Interferon zu tun und ich soll mich einfach so glücklich schätzen.

Neue Packung, juhu. Diesmal wollte die Apotheke 4,90 Euro Rezeptgebühr, ehe ich darauf hinwies, dass „MIR“ auf meinem Rezept bedeutet, dass ich befreit bin.

Samstagabend, 45 µg werden hinausbefördert, wie immer. Der Stich tut nicht weh, wie die letzten Wochen. Es folgt eine unruhige Nacht, aber ungewohnt frühes Aufstehen am Sonntag (wie letzte Woche), offenbar hält sich die Schlafbedürftigkeit in letzter Zeit in Grenzen. Dafür nimmt der Juckreiz zu, manchmal wünsche ich mir statt meiner Matratze ein Nagelbett zum Abreagieren.

Also erstens war ich gestern bei meinem Internisten, um wieder mal eine Überweisung zu holen. Vor ein paar Wochen schon war ich vom Spital aufgefordert worden, eine neue Überweisung für das aktuelle Quartal zu bringen, was ich daraufhin auch tat. Beim letzten Besuch wurde ich allerdings wieder gebeten, was mich dazu veranlasste, gestern beim Internisten vorbeizuschauen, seltsame Blicke zu ernten („sie wollen was bitte?“), aber dann doch einen Schein zu bekommen. Hoffentlich verlieren sie ihn nicht wieder.

Zweitens bekam ich gestern einen Brief vom Spital mit einer Kopie der Blutwerte vom letzten Mal (14.12.07) und der Bitte, doch schon am 28.12.07 wiederzukommen.

Leukos 2,22

Neutros 0,96

Erys 3,52

Hämoglobin 10,8

Hämatokrit 30,2

Thrombos 91

Fazit: Das weiße Blutbild schaut also vergleichsweise ganz gut aus, dafür geht es mit dem roten leicht bergab, wahrscheinlich auch deswegen die verfrühte Kontrolle.

Samstag. Immer noch kommt ein Drittel von der Spritze weg. Spritzen an sich wird immer lästiger dadurch, dass ich beim ersten Mal Einstechen immer einen ungewohnt starken Stich verspüre und auf eine andere Stelle wechseln muss. Was leichte Hemmungen auslöst. Und ab und zu gelingt mit ein misstrauischer Blick auf die in der Bauchfalte steckende Nadel und angeekelt möchte ich mich von diesem Anblick abwenden, wenn es nur ginge.

Natürlich interessiere ich mich dafür, was bei den Blutuntersuchungen herauskommt, was auf dem Laborbefund draufsteht. Oft sind kryptische Bezeichnungen dabei, die einem nicht gleich einleuchten. Bei mir wird immer ein kleines Blutbild gemacht, was bedeutet, dass die Leukozyten nur in ihrer Gesamtzahl dargestellt werden, aber keine Aufschlüsselung in Untergruppen erfolgt. Oft tauchen dann auf dem Befund seltsame Abkürzungen auf, die ich hier erläutern möchte:

Hämatokrit Anteil der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) am Gesamtblutbild.
MPV engl. Mean Platelet Volume; gibt die Größe der Bluttplättchen (Thrombozyten) an.
MCV engl. Mean Corpuscular Volume; gibt die Größe der roten Blutkörperchen (Erzthroyzten) an.
MCH engl. Mean Corpuscular Hemoglobin; gibt den Gehalt an rotem Blutfarbstoff (Hämoglobin) in roten Blutkörperchen (Erythroyzten) an.
MCHC engl. Mean Corpuscular Hemoglobin Concentration; Anteil des roten Blutfarbstoffes (Hämoglobin) am Gesamtvolumen der roten Blutkörperchen.
RDW engl. Red Cell Distribution Width; gibt die Verteilungshäufigkeit der Volumina von Erythrozyten an.

Im Prinzip sind diese Werte vermutlich nicht so wichtig, wenn man keine gröberen Probleme mit Leukozyten, Erythrozyten usw. hat, weil sie oftmals detaillierte Informationen darüber geben, um welchen Typ Anämie es sich handelt. Meine Ärzte haben bisher nur auf die Anzahl der Zellen geschaut und diese obigen Werte ignoriert.

Schade, Dr. B. hatte heute wieder einmal keine Zeit für mich, obwohl sie schon anwesend war. Stattdessen der motivierte Doktor vom letzten Mal, der wiederholt nach ein paar Minuten Studieren meiner Akte feststellte, dass ich chronische Hepatitis B hätte und seit August eine Therapie machte.

Ob ich während der Therapie Impfen gehen kann, wusste er mir nicht zu beantworten und zeigte auch keinerlei Tendenzen, eine Antwort in Erfahrung zu bringen.

Werte vom letzten Mal, das war der 30.11.:

Erys 3,92
Hämoglobin 11,8
Hämatokrit 32,7
MCV 83,4
MCHC 36,1
RDW 14,8
Leukos 1,86
Neutros 0,73
Thrombos 87

Antikörper wurden auch getestet und sie sind unverändert, also:

HbsAg pos.
HbeAg pos.
Hbc-IgM-Ab neg.
HbcAb pos.
HbsAb neg.
HbeAb neg.

In 3 Wochen soll ich wiederkommen, ergab der übliche Anruf um 12:30, 135 µg weiterhin.

Zur Information: es gibt auf meinem Blog eine neue Kategorie, oder einen neuen „Tag“, wenn man es anglizistischer will: HBV-DNA. Dieser Wert bestimmt indirekt den Virus-Titer im Blut, das bedeutet, die Menge an Virus-Teilchen pro Milliliter Blut. Diese Zahl ist einer der beiden kritischen Faktoren, die entscheiden, wie sehr infektiös ein Hepatitis-B-Patient ist. Viel DNA im Blut bedeutet viele Viren, was einer hohen Infektiösität entspricht.
Vor zwei Jahren testete ich bereits einmal die HBV-DNA, damals war der Wert um 33 Millionen, was schon ziemlich viel ist, aber beim Recherchieren im Internet habe ich auch schon Patienten gefunden, die ein paar hundert Millionen Viren haben. Keine Viren hat man per definitionem im Labortest, wenn die Menge auf unter ca. 300 pro ml fällt.
In dem Spital, wo ich meine Interferon-Therapie begonnen habe, war mein Anfangswert Ende August um die 7 Millionen. Seitdem wurden 2 Tests gemacht, bei welchen auch der Virustiter bestimmt worden ist; man findet sie, wenn man rechts im Menü auf „hbv-dna“ klickt. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Zahl bisher um eine Potenz zurückgegangen ist – es könnte besser sein, aber es hätte sich auch nichts ändern können, was ziemlich schlecht wäre. Im Gegensatz zu Hepatitis-C-Patienten gibt es nämlich in meinem Fall keinen Richtwert, also z.B. dass der Titer nach 3 Monaten Therapie unter die Nachweisgrenze fallen muss; nein, so ist das hier nicht.
Dr. B. ist zufrieden mit dem bisherigen Verlauf.

Ich habe einen Brief bekommen. Der Absender ist das Tropeninstitut, bei welchem ich die meisten Impfungen für tropische Reisen gemacht habe. Es erinnert mich mit dem aktuellen Schreiben daran, dass eine Polio-Impfung aufzufrischen wäre. Abgesehen davon, dass ich mich frage, wie wichtig diese Auffrischung hierzulande wirklich ist, spielt natürlich noch das deutlich geschwächte Immunsystem eventuell eine Rolle: können die paar Handvoll weißen Blutkörperchen der eindringenden Invasion an Antigenen überhaupt standhalten? Oder ist das unnütze Angstmacherei, denn der Organismus bzw. das Immunsystem wird ohnehin tagtäglich mit Stoffen aus der Umwelt konfrontiert? Ich werde Dr. B. am kommenden Freitag diesbezüglich befragen.

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