Dienstag, 20. Januar 2009
Die Befundbesprechung wurde aus mir unerfindlichen Gründen vom 12.01.09 auf den 20.01.09 verschoben. Als erster drangekommen sprach ich diesmal bei wieder einer neuen Ärztin vor, Dr. M. Unerbittlich kam sie gleich in ihrem ersten Satz zur Sache: mein Virentiter sei wieder rasant angestiegen auf 7,7 Millionen IU/ml, was etwa der Menge Viren entspricht, die ich vor der Therapie hatte (7 Mio.). Demnach käme für mich nun als nächstes eine Therapie mit Sebivo, mit Tabletten, die Nukleosidanaloga enthalten, in Frage. Und nein, überlegen bräuchte ich mir da nichts, denn wenn ich die Tabletten nicht nehmen würde, hätte ich in 10 Jahren eine Leberzirrhose, meinte sie resolut und überzeugt. Also lieber eine Dauertherapie mit diesen Tabletten, vorerst mal auf 5 Jahre, vermutlich aber lebenslang.
Und warum gerade Sebivo (Wirkstoff: Telbivudin)? – Weil er am wenigsten Resistenzen aufweisen würde und auch Nebenwirkungen. – Und warum nicht Baraclude? – Baraclude sei in Österreich nicht zugelassen. Das war eine gültige Antwort für mich.
Eben finde ich in der Suchmaschine das hier:
Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen
Bereich PharmMed, www.ages.at Wien, 14. 3. 2006
Information des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen über Maßnahmen zur Gewährleistung der Arzneimittelsicherheit
Baraclude® – wichtiger Hinweis
Baraclude® 0,5mg Filmtabletten;
Zulassungsnummer: EU/01/343/001.003
Baraclude® 1mg Filmtabletten;
Zulassungsnummer: EU/01/343/002.004
Baraclude® 0,05mg/ml Lösung zum Einnehmen;
Zulassungsnummer: EU/01/343/005; Zulassungsinhaber: Bristol Myers Squibb; wirksamer Bestandteil: Entecavir; wichtiger Hinweis zum Auftreten einer HIV Resistenzmutante bei der Behandlung einer chronischen Hepatitis B bei HBV/HIV koinfizierten Patienten ohne gleichzeitige antiretrovirale Therapie
Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen teilt mit:
Baraclude® ist indiziert zur Behandlung der chronischen Hepatitis B-Virus-Infektion (HBV) bei Erwachsenen mit kompensierter Lebererkrankung und nachgewiesener aktiver Virusreplikation, persistierend erhöhten Serumspiegeln der Alaninaminotransferase (ALT) sowie mit einem histologischen Befund einer aktiven Entzündung und/oder Fibrose
Quelle: http://www.oeaz.at/zeitung/3aktuell/2007/07/mitt/mitt07_2007beh.html
Von wegen nicht zugelassen. Falls es jemanden interessiert: es gibt von der EMEA (European Medicine Agency) ein schönes Dokument mit vielen, vielen Infos zu Baraclude. Gibt es übrigens für alle zugelassenen Nukleosid- und Nukleotidanaloga, ich werde diese bei Gelegenheit verlinken.
Ich äußerte noch einen Zweifel: was, wenn ich ins Ausland gehen würde, nicht mehr in Österreich versichert wäre, wer bezahlt dann hunderte Euro pro Monat für die 28 Tabletten-Packung? Alles kein Problem, meinte sie, in anderen Ländern gäbe es ja auch Versicherungen und das Medikament würde weltweit vertrieben. Und wenn dieses andere Land, sagen wir mal, Benin wäre, ohne Versicherung und westliche Krankenversorgungsstandards? Na dann… irgendwie werden wir eine Lösung finden, falls es dazu kommen sollte, keine Sorge, tröstete sie mich und schrieb das Rezept fertig.
Ich äußerte weitere Zweifel: und wenn ich schwanger werden möchte? Werden dann die Tabletten abgesetzt? – Keinesfalls, denn sobald man absetzen würde, könnte es zu einem „Flare“ kommen, also zu einem Rückfall bzw. Anstieg der Virenmenge, der womöglich über den ursprünglichen Titerwert hinaufsteigen könnte, alles viel zu gefährlich. Und das Kind (ich musste ihr alles aus der Nase ziehen)? – Tja, das Kind. Dazu gäbe es leider noch keine Studien; aber keine Sorge, jene Frauen, die bisher mit dem Medikament schwanger wurden, bekamen nur gesunde Kinder ohne Fehlbildungen. Wie tröstlich.
Als ich auch heute – testweise – die Frage zur Verhütung stellte, erhielt ich die dritte Antwortvariation zu diesem Thema. Ein Auszug aus der Vergangenheit: Nr. 1: keine Pille (da sie vom Magen direkt in die Leber geht und somit belastet), lieber systemisch verteilte Hormone, z.B. über das Pflaster. Habe ich probiert, leider zu viele Nebenwirkungen bei mir. Antwort Nr 2: leichte Pille geht, aber wirklich nur leicht. Und seit heute, Antwortvariation Nr. 3: ich könne nämlich jede Pille nehmen, das hätte überhaupt keine Auswirkungen auf den Leberzustand.
Abschließend wurde mir noch Blut abgenommen, um einen Anfangs-Virustiter für die Therapie zu messen. Interessanterweise wird diesmal auch der Genotyp bestimmt, weil „die Firma das nun bezahlt“, was immer diese Antwort heißen soll. Teurer Check, der vom Krankenhaus nicht bezahlt wird, wenn man aber das Medikament einer Firma nimmt, freuen die sich über zusätzliches Studienmaterial und sponsern dann auch die für eine Studie notwendige Genotypbestimmung? Wahrscheinlich bilde ich es mir nur ein. Jedenfalls habe ich wahrscheinlich Genotyp A. Auf meine Nachfrage, ob die Genotypen nicht regional bedingt seien und ich dann vermutlich einen asiatischen hätte, da der Virus von meiner asiatischen Mutter übertragen wurde, meinte sie: ja, regional, und das wäre Genotyp A. Wenn man allerdings dieser Tabelle (runterscrollen) mehr Glauben schenken möchte als meiner heutigen Ärztin, so kommt Genotyp A hauptsächlich in Nordamerika, Nordeuropa und Südafrika vor, aber nicht in Südostasien – das wäre Genotyp B/C. Ich bin schon gespannt auf das Ergebnis.
Mit dem Rezept ging es dann zur – neuen – Chefärztin der Krankenkasse, die es bewilligen sollte. Der Raum war umgestaltet worden: von einem trockenen Beamtenzimmer zu einem bunten Wohnraum. Am Schrank hing ein Poster über Katzen und Literatur; am Schreibtisch stand eine Salz(?)-Kerze, die rosa Licht verbreitete, sowie ein Stövchen mit einer Kanne und einer Jumbo-Tasse Tee. Neben dem Computer etwas ganz Interessantes: etwa 6-8 verschiedene kleine Plastikschachteln, die jeweils mit Hämatit (Blutstein), Quarz, Rosenquarz oder anderen Mineralen gefüllt war. Und ein großer, durchsichtiger, leerer Topf. Während ich noch grübelnd überlegte, mit was für einer Person ich es zu tun haben würde, die auf die Kraft der Steine vertraut, trat eine schick angezogene Frau im mittleren Alter ein (Reiterstiefel, breiter Ledergürtel), begrüßte mich und warf einen Stein in den Topf. Ich staunte nicht schlecht und muss wohl irritiert genug gewirkt haben, dass sie erklärend meinte: Statistik. Ich nickte und sie erläuterte weiter: ich mag Stricherl malen nicht, muss aber trotzdem dokumentieren, welche und wie viele Fälle in mein Büro kommen. Kreativ.
Das Rezept ist nun bei einem Apotheker und das Medikament wird bestellt. Wann fange ich mit dem Tablettennehmen an? Wahrscheinlich morgen, oder übermorgen.
Erste Kontrolle für die Tablettentherapie am 19.02.09.