schweden


5 Herbst- und Wintermonate habe ich 2010 in Stockholm, Schweden, verbracht, da der Aufenthalt für eine deutlich längere Dauer geplant war, erhielt ich nach meiner Ankunft eine Personennummer, die für ein hindernisfreies Leben in Schweden unabdinglich ist. Sie zu bekommen war aufwändig und schwierig genug, wenn man sie aber mal hat, stehen einem alle amtlichen und nicht-amtlichen Wege in stark vereinfachter Form offen. Die Personennummer ist der Schlüssel zu allem, mit ihr lebt man hindernisfreier. Die Personennummer ist unter anderem auch eine Sozialversicherungsnummer und jeder mit einer solchen hat Zugang zum schwedischen Gesundheitssystem, ob Ausländer (wie ich) oder nicht. Meine – sehr geringen – Erfahrungen damit sind durchwegs positiv.

Um mich hinsichtlich einer Behandlung meiner chronischen Hepatitis B zu erkundigen, die bereits in Österreich begonnen hatte und nahtlos weitergeführt werden sollte, musste ich mich zunächst, wie alle mit gesundheitlichen Problemen bei einem Erstbesuch, an eine sogenannte Vårdcentral wenden, die für Erstversorgung sowie kleinere Wehwehchen zuständig ist, aber eben auch die Überweisungen an Spezial-Ambulanzen oder Kliniken durchführt. In der Vårdcentral wurde ich von einem – wie ich vermute – praktischen Arzt zunächst über meine Krankengeschichte befragt, schließlich wurde kompetent und zufriedenstellend in einem eigens dafür eingerichteten Raum und dazugehörigem Personal Blut abgenommen. Dann, so sagte man mir, würde ich einen Termin zugeteilt bekommen im Karolinska Sjukhuset – Infektionsmottagning B3, Solna, ich drängte darauf, dass er bald sein sollte, da mir die Tabletten ausgingen. Der Arzt versicherte mir, er würde sich um einen baldigen Termin bemühen und per Post würde ich diesbezüglich verständigt werden.

Ich wartete eine Woche, zwei, doch nichts kam, schließlich erhielt ich Post vom Karolinska Sjukhuset über die Begleichung einer Rechnung (etwa 20 Euro), da ich nicht zu einem vereinbarten Termin erschienen war. Ich rief an und erklärte, dass ich nie Post hinsichtlich eines Termins bekommen hatte, erhielt einen neuen Termin und tauchte an jenem Tag zur angegebenen Adresse auf. Die Infektionsabteilung wirkte neu, hell und modern, bei einer mit zwei Damen an Schaltern besetzten Rezeption (erst Wartenummer ziehen) wurde ich schnell drangenommen, konnte mein Problem mit dem Termin erklären und wurde von den Gebühren befreit. Nur wenig Patienten warteten und ich kam einige Minuten später zu einem Arzt, der sich meine Geschichte anhörte und die Blutwerte, die von der Vårdcentral  übermittelt wurden, ansah. Sämtliche Leberwerte, Antikörper, HBV-DNA-Titer wurden bereits bestimmt. Er stellte verwundert fest, dass ich mit Sebivo behandelt werde, einem veralteten Medikament, wie er sagte, aber billig. In Schweden herrschten andere Standards, Viread oder Baraclude würde häufiger verschrieben und wäre auch in den Apotheken auf Lager, aber es sei auch kein Problem, mir Sebivo zu verschreiben, ich müsste nur ein wenig länger warten. Er fragte, wie viele Tabletten ich noch hätte und bemühte sich, herauszufinden, ob irgendwer auf der Station meine Medikamente lagernd hatte (nein). Er trug alles in den Computer ein und wies mich an, in die nächste Apotheke zu gehen, die ich auch gleich in der Nähe Krankenhaus aufsuchte. Ich musste (nach Ziehen einer Wartenummer) meine Personennummer angeben und sofort war der Apotheke klar, was meine Beschwerden seien und was ich bekommen würde. Sie bestellten drei Packungen Sebivo (die einen Tag später eintrafen) und gaben mir einen Zettel mit, mittels dessen ich das Prozedere 3 Male wiederholen hätte können, somit hatte ich für ein Jahr Tabletten verschrieben bekommen, ohne immer wieder den Arzt aufsuchen zu müssen, was ich als sehr komfortabel empfinde.

Zusammenfassend würde ich den zweiten Doktor als sehr kompetent einstufen, die Art, wie er mir Dinge erklärte und sie argumentierte, wirkte nachvollziehbar und logisch, erstmals seit langem hatte ich das Gefühl, mit jemandem über meine Erkrankung zu reden, der deutlich mehr weiß als ich. Dem schwedischen System der Offenlegung sämtlicher privater Daten für Zugangsberichtigte durch die Existenz einer Personennummer kann man zwiespältig gegenüber stehen, als praktisch erweist es sich für den Nicht-Datenschutz-Besorgten allemal. Abschließend kann ich konkludieren, dass meine chronische Hepatitis-B-Erkrankung im Sozialstaat Schweden auf keinerlei Probleme gestoßen ist, ich wurde und wäre behandelt worden wie jeder schwedische Bürger, hatte also vollen Zugang zum schwedischen Gesundheitssystem, das ohnehin als relativ effizient und gut bekannt ist.

Die österreichische Vertrauensärztin hat als einzige geantwortet: wenn ich ein Gehalt bekomme und Steuern zahle, werde ich wie jeder andere schwedische Staatsbürger behandelt. Mehr war von ihr selbst mit Nachfragen nicht herauszubekommen. Einen Monat später bin ich immer noch genau so ungewiss über die Vorgangsweise wie zuvor. Alle angeschriebenen Personengruppen von Gesundheitsbeauftragten bis Studentenvertretern haben meine Anfrage ignoriert. Noch habe ich Tabletten, noch gibt es keinen Grund zur Sorge.

Ich gehe nach Schweden. An den Gedanken muss man sich erst gewöhnen.

Aber noch vor dem Gewöhnen kommt das Beschäftigen mit gewissen Institutionen vor Ort. Aufgrund der chronischen Hepatitis B kann ich nicht einfach meine Siebensachen packen und einreisen, sondern muss ich zuallererst erkundigen, wie meine medizinische Behandlung in Schweden weitergehen wird. Doch wen fragt man?

Zuerst habe ich mich in meiner Arbeitsstelle nach einem Beauftragten für die Gesundheit erkundigt. Diese Person konnte mir jedoch lediglich sehr oberflächliche Informationen über den Versicherungsstatus von Studenten übermitteln. Durch sie weiß ich: als Student in in Schweden mit „resident“ Status habe ich Anspruch auf Leistungen wie jeder schwedische Staatsbürger. Außerdem erfuhr ich, dass die schwedische Sozialversicherung „försäkringskassan“ heißt, die ich als nächstes kontaktierte. Eine Antwort per Email erfolgte in dem auf der Website verlautbarten Zeitraum, leider war sie wenig aufschlussreich: als Student hätte ich nur dann Anspruch auf Leistungen, wenn ich  mindestens ein Jahr bleibe und eine Personennummer beantrage. Das wusste ich bereits. Da dies wie eine Sackgasse wirkte, beschloss ich, Internisten in Stockholm auszumachen, die ich direkt anschreiben und um Rat fragen konnte. Außerdem kontaktierte ich eine österreichische Vertrauensärztin der Botschaft, in der Hoffnung, dass sie zumindest weiß, an wen ich mich mit meinen Fragen wenden kann. Die Fragen sind eigentlich ganz einfach: 1) Wie muss ich vorgehen, um eine Fortsetzung der Behandlung zu erwirken? 2) Zu welchem Anteil übernimmt die schwedische Sozialversicherung anfallende Kosten (Medikamente, PCR-Test auf DNA)? Noch warte ich auf Antworten.