leberpunktion


Ich hatte Glück: Die Oberärztin war nicht nur da, sondern sie war auch für mich da. Sie ist geduldig und drängt nicht, kompetent, erklärt gut, langsam und deutlich, geht auf meine Fragen ein und kann sie zufriedenstellend beantworten – so wie man sich einen Arzt nur wünschen kann.

Erstmal die Blutwerte vom 20.01.09:

Leukozyten 3,22 G/l

Neutrophile 1,18 G/l

Hämoglobin 12,4 g/dl

Hämatokrit 35,9%

Leberwerte wurden keine bestimmt, nur HBV-DNA…

Hepatitis B-PCRquant 11,3 Mio. U/ml

Vergleich: 15.12.08: 7,7 Mio. U/ml. Also innerhalb eines guten Monats haben sich die gemeinen Viecher ordentlich ins Zeug gelegt und etwa ein Drittel mehr von sich selbst produziert. Höchste Zeit für ein bisschen Reverse-Transkriptase-Hemmer.

… und dann natürlich der heißersehnte Genotyp. Ich fragte nach.

„Genotyp C, das wird Ihnen aber ziemlich sicher nichts sagen.“

Ich wusste es. Auf B oder C habe ich getippt, die beiden häufigsten Varianten im asiatischen Raum, eher auf C, weil die Interferontherapie so erfolglos war. Und da sprach sie auch schon weiter:

Je weiter weg von A, desto schlechte die Chancen für einen Erfolg bei der Interferontherapie. Hätten wir den Genotyp (C) eher gewusst, hätten Sie keine Therapie machen müssen. Aber jetzt ist es ja eh schon vorbei.

Wahrscheinlich hat sie Recht. Beizeiten, wenn ich mich genug informiert habe, werde ich ein paar Informationen und Artikel zu den Genotypen und den Heilungschancen hier hineinstellen.

Weitere neue Infos:

Telbivudin und Pille: überhaupt kein Problem, egal welche Dosierung (der Hormone).

Telbivudin und Ernährung: keine Zusammenhänge feststellbar. Ich hatte gefragt, da ich im Internet gelesen hatte, dass man bei Lebererkrankungen wenig Fett, kein Zimt, kein Honig, keine Minze, keine Lebensmittel mit hohem Eisengehalt usw. zu sich nehmen sollte. Die Oberärztin meinte, das dies alles Ratschläge aus der Alternativmedizin seien, die durch Studien bisher nicht belegt werden konnten. Vor 30 Jahren hätte man noch solche Ratschläge von Ärzten erhalten können, inzwischen seien diese Informationen und Zusammenhänge veraltet bzw. nicht beweisbar.

Telbivudin und Alkohol: Während der Interferontherapie und auch davor hatte ich Alkohol vermieden – aus Schutz für die Leber. Während der Nukleosidanaloga-Therapie, so meinte die Ärztin, könne ich einem normalen Alkoholkonsum nachgehen, da durch das Medikament die Virenlast und auch die Transaminasen (Leberwerte) sehr schnell nach unten gehen würden und dann die Leber durch nichts belastet werde. Das war für mich ganz neu.

Informationen zur Leberpunktion oder Leberbiopsie: in einem Gesundheitszentrum wurde mir von einer anderen Hepatologin eindringlich versichert, dass die Leberpunktion alter Standard sei und heute nicht mehr durchgeführt werde, da sie keine Aussage über den Gesamtzustand einer Leber treffen könnte, sondern nur für den Teilbereich, der punktiert werde. Neuester Stand wäre der FibroScan (Elastographie), eine Art Ultraschall, der allerdings aufgrund der Neuartigkeit noch nicht im Einsatz ist. Da diese Informationen der Behandlung, die mir in meinem Spital widerfuhr, widersprachen, erkundigte ich mich heute, wie die Meinung meiner Ärztin zu diesem Thema sei. Die Oberärztin gab zu, dass die Leberpunktion nur mit etwa 80%iger Wahrscheinlichkeit eine Aussage über den Zustand einer Leber treffen könnte, dass sie aber derzeit immer noch das beste bzw. einzige Mittel sei, um wirklich „vor Ort“ nachzusehen, wie es mit dem Gewebe beschaffen sein. Normalerweise (dh. bei hoher Virämie und hohen Transaminasen), wenn Therapieindikationen ohnehin gegeben sind, sei eine Leberpunktion nicht notwendig. Wenn aber z.B. die Virämie hoch sei, aber die Transaminasen normal, würde man die Leberpunktion als Entscheidungshilfe zu einer Therapie sehen: ist das Gewebe in Ordnung, wird nicht therapiert, ist es bereits fibrotisch, ist es höchste Zeit. Die Ärztin würde auf jeden Fall älteren Personen (über 50), die den Virus schon lange in sich tragen, solch eine Untersuchung empfehlen. Der FibroScan sei eine interessante Entwicklung, allerdings noch nicht etabliert und das große Problem sei, dass er nur Absolutaussagen treffen könne: Fibrose ja/nein – während die Leberpunktion meist in einer stufenartigen Beurteilung des Fibrosegrades resultiert (Fibrosegrad 1-4).

Schließlich fragte ich noch, was die Entscheidungsgrundlage in meinem Fall für Sebivo/Telbivudin gewesen ist. Sie meinte, dass zwischen Tenofovir und Telbivudin (Markennamen Viread und Sebivo) kein großer Unterschied bestehe und sie nicht sagen könnte, welches besser sei oder wann man eines nicht nehmen sollte. Beide Medikamente würden nach einer gewissen Anzahl von Jahren zu Resistenzentwicklung des Virus führen und dann müsste man wechseln. Weshalb sie Sebivo vorziehen würde, wäre aufgrund der Möglichkeit, dieses Medikament während der Schwangerschaft weiterhin zu nehmen. Wobei Viread auch demnächst diese Zulassung erhalten würde.

Resistente Viren gegen Baraclude/Entecavir seien hingegen bis heute nicht bekannt, weshalb dieses Medikament (in Österreich und Deutschland) nur dann verschrieben werden dürfe, wenn alle anderen davor schon nichts mehr helfen (quasi als letzte Hoffnung). Es gäbe in Österreich keinen Vertrieb von der Herstellerfirma und das Medikament sei auch nur sehr schwierig zu bekommen bzw. zu verschreiben – lediglich mit besonderen Indikationen.

Ich erhielt ein Rezept für 12 Wochen Sebivo (3x 700 €) und einen neuen Termin am 29.4.09.

Leichtes bis mittleres Stechen im Bereich unter der Punktionsstelle (Durchmesser ca. 5 cm) bei bestimmten Aktionen: Niesen, Husten, lautes Auflachen, schnelles Aufstehen, Umdrehen nach rechts hinten, ruckartige Bewegungen mit dem Oberkörper.

Allgemeinzustand: wohlauf.

Pläne: Abwarten.

Sie haben alle gelogen, dachte ich mir, als ich ein Nachthemd in die Hand gedrückt bekam und mir ein Bett zugewiesen wurde. Ich hatte mir basierend auf Internetberichten vorgestellt, dass ich mich auf eine Liege lege, das T-Shirt hochziehe, zwei Piekser (1x Betäubung, 1x Punktion) bekomme, ein paar Stunden liegen bleiben muss und dann wieder gehen kann. Es war ganz anders.

Um kurz vor 8 Uhr morgens war ich auf der Station. Erst als ich das Bett bekam, dünkte mir, dass die ganze Sache doch aufwändiger werden sollte; aufwändig für jemanden, der noch nie einen Tag im Krankenhaus verbracht hat. Am wenigsten mochte ich den Arzt, der mir den Schlauch in die Vene des linken Arztes spritzte und mich zustöpselte. Fühlt sich seltsam an, wenn man das Gefühl hat, dass eine kurze Drehung am Plastikventil mich ausbluten lassen könnte. Dann die Beruhigungstablette (standardmäßig), die ich (traditionell) nicht schlucken kann. EKG am Gang, weil kein Zimmer frei ist, die Passanten blicken neugierig auf den verkabelten Körper.

Die Punktion an sich, da muss ich meinen vielen Vorrednern im Netz Recht geben, ist wirklich keine große Sache. Zuerst wird ein sehr genauer Ultraschall des rechten Unterbauchbereichs gemacht, mit Luftanhalten und auf-die-Seite-Drehen. Danach wird mit einer orangen, alkoholhältigen Flüssigkeit der gesamte Bereich desinfiziert bzw. eingerieben, die restlichen Stellen mit den bekannten operationsgrünen Tüchern abgedeckt. Noch mal ein Ultraschall und schon schreitet der Spezialist zur ersten Spritze: lokale Betäubung. Wenn es anfängt, zu brennen, dann wirkt sie, sagt er. Es brennt nicht und ich will beginnen, etwas zu sagen. Er unterbricht mich und bittet darum, nicht zu sprechen. Spritzt noch einmal, denke ich im ersten Augenblick, bis ich eine halbe Sekunde später das Gefühl habe, er gräbt mit einer Schaufel in meinen Eingeweiden. Es tut eigentlich nicht wirklich weh, sondern fühlt sich nur seltsam und unangenehm an: wie eine dicke Stange, mit der im Bauch gerührt wird. Das Gefühl dauert nur kurz, 2 oder 3 Sekunden an, dann sagt er: fertig und zeigt mir das Werkzeug, mit dem er punktiert hat. Er löst die Leberprobe aus der Nadel heraus, legt sie auf Fixiermaterial eröffnet mir den Vorteil einer lokalen Betäubung: ich darf einen Blick auf ein Stück meiner Leber werfen – ein rötlicher und leicht glänzender Zylinder mit 0,95 mm Durchmesser und 2 cm Länge.

Den Rest des Krankenhaustages – 5 Stunden – verbringe ich liegend, mich möglichst wenig bewegend, damit der Blutdruck nicht steigt und es aus einer inneren Verletzung hinausblutet. Es gibt ein mildes, gutes Mittagessen bestehend aus einer Suppe mit Einlage, Wurzelgemüse und gekochtem Rindfleisch sowie geriebenem Apfel und einem hellen Sandkuchen. Mein Begleiter, der so gut wie alle erlaubten Stunden an meiner Seite verbracht hat, peppt das Mittagessen mit einem Apfel, gespritztem Apfelsaft, Kakao und einer Milchschnitte auf. Am Ende des Tages erlaubt eine letzte Ultraschallkontrolle, dass ich nachhause gehe und endlich kommt auch der Schlauch aus mir hinaus.

Fazit: In meiner Vorstellung zuvor war die Punktion schmerzhafter abgelaufen, ich hatte einen richtigen, tiefen Stich in den Bauch erwartet. Wenn ich das übliche Krankenhausprozedere bereits gekannt hätte, wäre es tatsächlich kein sehr aufregender Tag gewesen, da der Eingriff an sich sehr schnell, komplikationslos und kaum schmerzerregend erfolgt ist.

Am Tag vor der Punktion stellt sich doch ein leicht mulmiges Gefühl in der Bauchgegend ein. Weiche, glatte Haut wird morgen durchlöchert sein, mit einem Werkzeug, das deutlich mehr als Porendurchmesser hat. Der Assistent, der mir heute etwas ungeschickt (keine Ader erwischt, etwas unter der Haut herumgestöbert) das Blut abnahm, meinte, ich würde keinen Stich spüren, sondern eher, als ob mich jemand stark von vorne schubst, mir gegen die Brust stößt. Ah, sie werden morgen bei uns aufgenommen, sagte die Krankenschwester bei der Begrüßung. Wie das klingt. Als ob ich ins Krankenhaus komme für längere Zeit. Als ob ich krank wäre. Nach der Blutabnahme möchte ich auf einmal morgen doch alleine hingehen, lieber alleine sein, wenn das noch Unbekannte passiert. Ich brauche niemanden, der mir nachher beim Ächzen zusieht, sobald die Betäubungsspritze aufhört zu wirken. „Der Schmerz strahlt in die rechte Schulter aus“ – noch eine zusätzliche post-operative Erfahrung. Warum spürt man den Schmerz nicht dort, wo er herkommt?
Keine Mahlzeit nach 20 Uhr, morgen nüchtern & pünktlich auftauchen.

Vor mir liegt ein Patienteninformationsblatt:

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,

die feingewebliche Untersuchung einer Gewebsprobe aus der Leber ermöglicht es, mit großer Sicherheit Lebererkrankungen (…) festzustellen (…).

Die Leberpunktion

Durch eine Ultraschalluntersuchung wird in der Regel zunächst die genaue Lage der Leber bestimmt und eine geeignete Punktionsstelle festgelegt. (…)

Zwischen zwei Rippen der rechten Brustwand wird nach örtlicher Betäubung eine Hohlnadel zur Leber vorgeführt und mit einem schnellen Einstich Gewebsprobe entnommen (…). (…)

(…)

Am Untersuchungstag weitgehend Bettruhe einhalten. In den ersten zwei Stunden auf der rechten Seite liegen, um die Einstichstelle zu verschließen.

Falls der Eingriff ambulant durchgeführt werden soll, sorgen Sie bitte dafür, dass Sie nach Entlassung aus der ärztlichen Aufsicht abgeholt werden, und dass sich zuhause jemand um Sie kümmert.

Für wenigstens 12 Stunden sollten Sie Bettruhe einhalten.

Bei Unwohlsein (z.B. Übelkeit, Schwindel), bei Fieber oder Blutungen sofort die Ärztin/den Arzt verständigen!

Sieht so aus, als sollte ich nicht alleine gehen. Freiwillige vor?

Ich denke, heute ist ein guter Tag, um anzufangen.

Heute hatte ich meinen 2. Termin im Spital. Gleich nach der Begrüßung hieß es, wir würden mit Ihnen gerne eine Interferon-Therapie machen. Hierbei gäbe es eine Heilungschance von 20-25%. Ob ich denn bereit wäre, meine Leber punktieren zu lassen. Mittels eines Info-Blattes wurde ich über die Methode (ultraschallgezielte Feinnadelpunktion), Ablauf und Komplikationen informiert. Mit meiner Unterschrift bestätigte ich meine Zustimmung zur Punktion am 14. August. Dann fragte ich nach den Blutwerten.

GOT 74 U/l

GPT 104 U/l

HBV-DNA 7 079 000 IU/ml

Ob Dr. B. mir etwas über die Therapie sagen könnte? Wie lange würde sie dauern? 12 Monate. Das Entsetzen steckt immer noch etwas in den Gliedern. Zweiundfünfzig Wochen – das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Wie oft spritzen, welche Dosis? Mein Eindruck war, dass ich alle Informationen selbst erfragen musste. Als ob die Entscheidung der Ärzte mir nur präsentiert und ich alles weitere dann schon sehen würde, ohne mitreden zu können. 1x pro Woche, die Standard-Dosis. Nicht nach Gewicht? Nein, nicht nach Gewicht. Nebenwirkungen? 2 Tage Fieber – dagegen bekommen Sie von uns Mexalen – Gliederschmerzen, alles andere, wie Depression, ist selten.

Und schon sind wir am Ende vom Anfang.