Februar 2008


Natürlich habe ich mir Gedanken gemacht, was ist, wenn die Leute, von denen ich im Blog auf mehr oder weniger rühmliche Weise berichte, meinen Blog finden. Der Kollege zum Beispiel, von dem ich kürzlich erzählte. Womöglich hat er ein paar Stichworte wie „Hepatitis B“ „Speichel“ schon in der Suchmaschine eingegeben und ist auf dieser Seite gelandet, hat den Autor als die ihm bekannte Person identifiziert. Oder Dr. B. – vielleicht fand sie mich ebenfalls bereits, so wie all die anderen ungenannten Doktoren, denen ich schon begegnet bin. Es ist nicht so schwer, zeitliche und inhaltliche Korrelationen zu finden.
Ich bin mir also dessen bewusst, dass die Möglichkeit besteht, Leute vor den Kopf zu stoßen, die ich persönlich kenne und welche zufällig hierhinein stolpern, lesen, was ich von ihnen halte, ihnen aber nicht direkt ins Gesicht sage. Ich würde sagen: das ist dann Glück und Pech in einem. Die Doktoren, über die ich mich beschwere, können sehen, wie sie beim Patienten ankommen. Der Kollege, über den ich mich mokierte, wird eine ehrliche Antwort erhalten, wenn er mich auf diesen Blog anspricht. Ich gestehe ihm zu, Verständnis für seine Unsicherheit zu haben, wenn er mir auch Verständnis dafür entgegenbringt, dass es kein schönes Gefühl ist, einen Touch von „aussätzig“ durch seine Fragen zu bekommen.

Halt, doch was Neues: H-A-L-B-Z-E-I-T!

Gelbe Spritze am Samstagabend. Nichts Neues.

Eigentlich habe ich schon einen Brief erwartet, da ich 1) dachte, dass die Werte wieder schlecht sein können und 2) glaubte zu ahnen, dass 4 Wochen zu viel Abstand sind. Aber nein, bis jetzt alles ruhig. Na wenn sie meinen… solange ich mich gut und gesund fühle – meinetwegen. Juckreiz, viel, viel Schlafbedürfnis (Samstag und Sonntag teilweise über 14 oder 16 Stunden), Reizbarkeit mit falsch angelernter Herumflucherei, mehr ist es nicht, denke ich.

Juhu, eine neue Packung, das erste Mal 135-er Spritzen. Sie haben einen gelben Stoppel, aber das ist auch alles. 0,5 ml mit weniger Interferon als bisher. Samstag abend, zack, schlafen. Seitdem keine Beschwerden und ich habe natürlich schon gegrübelt, ob was schiefgelaufen ist, aber wahrscheinlich eh nicht.

Hier das versprochene Diagramm mit dem Verlauf der Blutwerte.

Die ersten beiden Werte stammen noch aus Zeiten vor der Therapie, der abrupte Abstieg in drei Kurven markiert die Reaktion auf die erste Interferon-Spritze.

Die Skala für die Thrombozyten (in grün) befindet sich auf der rechten Seite des Diagramms, für alle anderen Werte befindet sich die Skala links.

Wenn ich etwas wacher bin, werde ich noch horizontale Balken einführen, welche markieren, wo der Normal-Wert beginnt.

Blutwerte

Wieder Kopfschmerzen, stechende, gestern, weniger als letzte Woche, aber doch, und ein leichtes dizzy-Gefühl. Ich setze mal eine Korrelation zu der Spritze am Samstag.

Gestern wurde ich morgens zudem von einem Kollegen zur Rede gestellt: ob denn Hepatitis B nicht über Speichel übertragbar sei. Ich sagte, nein.
Eine Stunde später kam er wieder zu mir: dass doch Hepatitis A über das Trinkwasser und Nahrungsmittel verbreitet werden (kürzlich gab es in einem Bundesland einen kleinen Ausbruch angeblich) und warum Hepatitis B nicht über Speichel übertragen werde. Ich sagte, keine Ahnung, aber dieser Virus kommt nur im Blut vor. Wenn Blut im Speichel ist, dann wird er indirekt auch über Speichel übertragen. Aber nicht über Speichel allein.
Vor dem Mittagessen bat er mich dann wieder in eine stille Ecke und meinte: er sei wirklich sehr besorgt, und es sei ihm furchtbar unangenehm und peinlich, dass er das fragen müsste, aber es läge ihm wirklich sehr am Herzen: vor einiger Zeit hätte ich, als ich mal gesprochen hatte, einen Spucktropfen ausgespeit, der direkt in seinem Auge gelandet sei. Ob er nun Hepatitis B bekommen könne. Ich sagte, ich denke nicht, weil Hepatitis B im Allgemeinen nicht über Speichel übertragen werde, und dachte bei mir, dass diese Geschichte wohl erlogen sei, denn ganz so feucht ist meine Aussprache nicht, wie er vorgibt und außerdem müsste es ein reichlich geschickter Spucktropfen sein, der es schafft, an seiner breiten Brille vorbei dahinter ins Auge zu gelangen.
Er entschuldigte sich noch einmal für die Unannehmlichkeit und meinte, in den Broschüren stünde immer, Hepatitis B sei hochinfektiös und warum das denn nicht über Speichel stattfinden könne, sei ihm schleierhaft. Ich antwortete, dass es richtig sei, dass Hepatitis B hochinfektiös sei, denn das bedeute z.B., dass es ein oder zwei Potenzen infektiöser sei als HIV, woraufhin mein Kollege zwei Schritte zurück machte. Ich ergänzte, aber nur über Blut infektiös, er fragte noch einmal nach, woher ich das denn wüsste, ob ich mit einem Arzt gesprochen habe. Ich meinte, ja, Hepatologen hätten mir bestätigt, dass allein Blut infektiös sei, aber nicht Tränen, nicht Schweiß, nicht Speichel; nur wenn Blut in diesen Körperflüssigkeiten vorkäme, was in Speichel schon mal sein kann, Zahnfleischbluten zum Beispiel oder eine Verletzung beim unvorsichtigen Kauen, dann wäre auch diese Körperflüssigkeit infektiös. Ich meinte, wenn er wirklich so Angst vor Ansteckung hätte, solle er sich einfach impfen lassen, und er meinte, ja, das habe er schon getan, aber dieser Spucktropfen sei noch davor geschehen und er wisse nun nicht, ob er angesteckt worden sei. Ich meinte, die Wahrscheinlichkeit ließe sich mit Null vergleichen, woraufhin er sich bedankte und ging.

Ich finde es schade, dass man nicht richtig aufgeklärt wird, weder durch die Broschüren, die übertrieben Panik erzeugen wollen, noch durch den Arzt, der nur Teilwahrheiten von sich gibt. Der Internetrecherche nach ist die Infektiösität von der Virenkonzentration im Blut abhängig. Mit wurde gesagt, dass mein Speichel, meine Körperflüssigkeiten nicht ansteckend sind, nur das Blut. Vermutlich liegt das allerdings an meinem mittleren Virustiter, Patienten mit 10^10 U/ml tragen den Virus auch im Speichel, Sperma, im Urin, selbst in der Muttermilch. Nach dem letzten Stand habe ich aktuell < 10^6 U/ml, also weniger als eine Million, was man als minder-infektiös einstufen kann. Denn ein Titer von <10^5 gilt als zu geringe Menge, um jemanden anstecken zu können.

Allerdings findet man auch so etwas:
Reiss-Levy et al., 1994. E.A. Reiss-Levy, C.M. Wilson, M.J. Hedges and G. McCaughan, Acute fulminant hepatitis B following a spit in the eye by a hepatitis B e antigen negative carrier.

Leider ist der Artikel nicht zum Lesen verfügbar, aus dem Titel lässt sich jedenfalls schließen, dass offenbar ein Fall aufgetreten ist, bei dem jemand durch einen Spucktropfen ins Auge mit Hepatitis B infiziert wurde. Blieb aber offenbar der einzige Bericht dazu, ansonsten lässt sich in der wissenschaftlichen Literatur nur finden, dass ab 10^10 U/ml auch im Speichel Viren nachweisbar sind und generell die Infektiösität von Körperflüssigkeiten vom Virustiter abhängt.

135 µg, *gähn*.
Das ist wohl das letzte Mal, dass ich einen Teil wegspritzen musste, bald gibt es die kleineren Injektionsspritzen.
Juckreiz war höllisch in der Nacht von Sonntag auf Montag, habe kaum ein Auge zugedrückt. Freue mich dann mal auf die Fenistil-Tabletten, auch wenn sie angeblich müde machen.

Mein heutiger Spitalsbesuch hat zwei Seiten, die von zwei verschiedenen Doktoren geprägt sind.

Teil 1: Verwirrung
Dr. Y nannte mich heute ihre Patientin, Dr. B. war wieder oder noch immer nicht da. Wie es mir ginge, fragte sie. Ich erzählte von den stechenden Kopfschmerzen am Montag, von der Nackensteife, vom Fieber, vom Schwindel und sah, was sie in meiner Akte notierte: leichte Kopfschmerzen. Dann erwähnte ich den unerträglichen Juckreiz, der mich tagsüber, häufiger aber abends furchtbar heimsucht. Sie schrieb mir ein Rezept für Fenistil-Tabletten (Antihistaminikum), die ich jeden Abend nehmen solle. Allerdings machen sie angeblich sehr müde, deshalb auch „abends“. Ich fragte nach einem neuen Rezept für die Injektionsspritzen. Sie nahm Blut ab und hatte es eilig: klebte sofort ein Tixo über den Tupfer (gerade eben sah ich den Salat: der Tupfer war vollkommen in Blut getränkt und ich habe einen Blut-Knubbel bei der Vene). Ich fragte, wann wir wieder die HBV-DNA bestimmen würden, den Virustiter. Sie sagte, das mache sie alle 3 Monate. Bei Dr. B. waren es alle 4 Wochen. Ich fragte nach einer Kopie der letzten Blutwerte, hier sind sie:

Leukos 1,80
Neutros 0,70
Erys 3,65
Hämoglobin 11,4
Hämatokrit 31,7
Thrombos 100

Sie verabschiedete sich mit „Kontrolle in 4 Wochen“ und draußen war ich.
Dann begann ich erst, nachzudenken. Seltsam, auf einmal in 4 Wochen erst? Klar, schön ist das schon, endlich muss ich nicht so oft dahin. Ich sah mir den Zettel mit den Blutwerten an und entdeckte, dass jemand „1 Wo“ draufgeschrieben hatte, also Kontrolle in einer Woche. Heute sind es aber zwei Wochen, seit ich das letzte Mal dagewesen bin. Offenbar hat niemand mich davon informiert. Ich sah mir die Blutwerte an und wunderte mich nicht mehr, dass der Begutachter meines Befundes mich in einer Woche wiedersehen wollte. Die Neutrophilen sind bei 0,70 (1,9-8,0 wäre Normalwert), das ist ziemlich, ja, sehr niedrig. Ab einem Wert von 0,75 wird es heikel, sagte Dr. X das letzte Mal zu mir. Einmal hatte ich das schon und ich wurde gleich am nächsten Tag von Dr. B. angerufen, dass ich in einer Woche wiederkommen soll. Diesmal ist es offenbar an allen vorübergegangen. Tja. Und dass ich nun erst in 4 Wochen wiederkommen soll, wo a) das letzte Blutbild schlecht war und b) ich erwähnt habe, dass ich Fieber usw. hatte, ist dann natürlich auch seltsam. Aber sie werden schon wissen, was sie tun… Einzig die Thrombozyten mit 100 G/l schauen etwas besser aus als sonst. Ich habe ein Diagramm mit den Verläufen der Blutwerte gemacht, da sieht man alles viel übersichtlicher, und werde es bei Gelegenheit auf diese Seite laden.

Teil 2: Aufklärung

Mit meinem neuen Rezept marschierte ich zum Chefarzt, wie immer, um eine Bewilligung der Kasse zu holen. Ich mag ihn – er nimmt sich immer so viel Zeit wie nötig für mich, ist geduldig, beantwortet alle meine Fragen ausführlich und fragt immer, wie es mir mit den Spritzen geht, obwohl es eigentlich nicht sein Job ist: er sitzt nur in dem Büro und beschäftigt sich mit dem bürokratischen Kram seiner Kasse, aber er ist nicht mein behandelnder Arzt. Wieder einmal also nahm er mein Rezept zur Hand, um es zu registrieren und merkte an, dass ich für das Fenistil Rezeptgebühr bezahlen müsse, weil ich nicht allgemein rezeptgebührbefreit wäre, sondern nur für das Interferon. Er tippte eine Weile am Computer herum, um meine Daten einzutragen, dann fragte ich aus Neugier, ob der Preisunterschied zwischen der Spritze mit 180 µg und 135 µg nicht so groß wäre, dass man immer die 180 µg verschreibt, unabhängig von der Dosis. Er antwortete, dass der Preisunterschied sehr wohl groß sei und was ich damit meine. Er sah in einer Liste nach und berechnete mir 100 Euro Unterschied zwischen den beiden Spritzen. Ich erklärte, dass ich beinahe seit Anfang der Therapie 135 µg spritze wegen der schlechten Blutwerte, doch dass ich immer 180 µg-Spritzen verschrieben bekam, da wir nie sicher waren, ob ich bei besseren Werten die Dosis erhöhen würde. Da ich dieses Mal allerdings erst in 4 Wochen wiederkäme und 135 µg weiterspritze, hätte ich ja eigentlich eine Packung mit den richtigen Spritzen bekommen können. Als ich aber in der Vergangenheit einmal meine Ärztin diesbezüglich fragte, meinte sie, dass das keinen Unterschied mache. Dem Chefarzt fielen fast die Augen raus und er fing an zu lamentieren, dass ich ja schon 7 Mal eine Packung erhalten hätte, bei welcher ich was weggespritzt hätte, und dass ich ja nicht die einzige Patientin sei, die die erniedrigte Dosis spritzt. Mein Rezept landete im Kopierer und er meinte, er müsse mit dem Leiter der Ambulanz mal ein Wörtchen reden, dass das so nicht geht. Seine untergeordneten Ärzte müssten informiert werden, dass sie sich nicht solcherlei erlauben dürfen, immerhin koste das der Krankenkasse unnötig viel Geld, das dann an anderen Stellen fehlen würde. Wie meine Ärztin heiße, doch das wusste ich nicht. Macht nichts, er würde das schon herausfinden. Er bedankte sich ausführlich bei mir und ich ging.

War das jetzt Petzen?

Kalt, Kopfweh, schwindelig, schlapp. Vor allem das Kopfweh macht mir Sorgen, über den ganzen Kopf verteilt, seit heute früh unverändert. Manchmal ein Spannungsgefühl auf der linken Nackenseite, steifer Nacken. Ganz allgemein gesprochen: ich fühle mich überhaupt nicht einsatzfähig und bin froh, wenn ich dann bald mal nachhause gehen kann.

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